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nachrichten.at
Entführer drohte Natascha: "Wenn du flüchtest, passiert dir und deiner Familie etwas"
STRASSHOF. Der Entführer habe es genau auf sie abgesehen gehabt, erzählte Natascha Kampusch der Polizistin Sabine Freudenberger. Sie war die Erste, mit der Natascha über das Martyrium sprach.
Wenn die nur 42 Kilo schwere, 160 Zentimeter große Natascha von ihrem Peiniger Wolfgang Priklopil (44) sprach, nannte sie ihn "Verbrecher". In den ersten Jahren hatte sie nicht einmal seinen Namen gewusst. Sie musste ihn, wie berichtet, "mein Gebieter" nennen. Immer wieder habe sie versucht, Priklopil zu überreden, sie freizulassen. Daraufhin habe der Entführer laut Freudenberger jedesmal gedroht, dass er Natascha und ihrer Familie etwas antun würde, wenn sie fliehen würde.
Zitterndes Opfer
Abwechselnd positiv und negativ sprach die zitternde 18-Jährige von dem Mann, in dessen Gefangenschaft sie vom "lieben, anhänglichen, hübschen Kind", so eine frühere Hort-Tante, zur jungen Frau heranwuchs.
Die damals zehnjährige Natascha hatte am Tag der Entführung den Kopf "voll gehabt mit Gedanken an einen Streit mit ihrer Mutter", als sie sich auf den Schulweg machte. Am Straßenrand habe sie laut Freudenberger einen Mann mit einem Lieferwagen gesehen. Sie habe überlegt, die Straßenseite zu wechseln - es aber doch nicht getan.
Gezielt ausgesucht
Priklopil packte das Mädchen und zerrte es am 2. März 1998 in seinen weißen Kleinbus, den er erst heuer im Mai in Wien-Floridsdorf verkauft hatte. Wenn er sie nicht an diesem Tag gekidnappt hätte, dann am nächsten, hatte der Peiniger der Schülerin gesagt. Der Entführer hatte laut Nataschas Aussagen sehr auf ihre Ernährung und Hygiene geachtet. Das Opfer habe auf sie auch gepflegt gewirkt, sagt Freudenberger, habe aber Ausschläge auf den Füßen. Ein Arzt dürfte die Entführte in den acht Jahren ihrer Gefangenschaft, so die bisherigen Ermittlungen, nie zu Gesicht bekommen haben.
Der Entführer hatte häufig mit Natascha gefrühstückt. Während des Tages hatte sie im Haushalt geholfen und zuweilen auch Gartenarbeit erledigt. Freudenberger vermutet, dass die 18-Jährige in all den vielen Jahren von dem Verbrecher missbraucht worden sei.
Natascha missbraucht
"Das ist ihr aber selbst offenbar nicht bewusst. Sie habe das alles immer freiwillig gemacht, hat sie gesagt." "Ohne jede Scham" sprach Natascha mit der Polizistin und bewunderte ihre Haare und ihren Schmuck. Solchen hatte sie nie. Freudenberger schenkte Kampusch daraufhin ihre Uhr.
Ruhephase
Nach den ersten Einvernahmen gönnen die Ermittler Natascha Kampusch nach Rücksprache mit Psychologen eine Vernehmungspause. "Mindestens bis Montag wird die junge Frau jetzt in Ruhe gelassen", sagten Innenministerin Liese Prokop (VP) und Erich Zwettler vom Bundeskriminalamt gestern bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Um Natascha bei der Bewältigung ihres Traumas zu helfen, müssen Psychologen nun dem Verarbeitungstempo der Betroffenen folgen.