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Thema: An W.Oertel

Aktive Benutzer in diesem Thema

  1. #1
    Guest
    Hallo an Sie,

    das Verhalten der Studenten untereinander ist ziemlich erschreckend aus meiner Sicht.
    War das als sie studiert haben auch schon so? Oder gab es mal kollegialere Zeiten?

    Sandra



  2. #2
    Diamanten Mitglied Avatar von FataMorgana
    Registriert seit
    24.01.2002
    Ort
    olim Würzburg
    Semester:
    Facharzt
    Beiträge
    2.020
    Das würde mich in der Tat auch interessieren. Ist es vielleicht die "Anonymität" des Internets, die so ein Verhalten erst möglich macht?



  3. #3
    Senior Elderman
    Registriert seit
    17.10.2001
    Semester:
    72 ;-)
    Beiträge
    12
    Liebe Sandra, liebe Fata Morgana,

    ich weiss nicht, ob Ihr die Historie des Curriculums im Medizinstudium seit 1949 kennt - wahrscheinlich werdet Ihr nicht mal mehr für so etwas Zeit haben und - um es auf dem Vorwege zu sagen - heute würde ich am Medizinstudium keinen Spaß mehr haben.

    Der Zugang zum Wunschstudienplatz war für mich kein Problem, weil ich in der NC-Jahrgangsliste für das Wintersemester bundesweit auf Platz 2 stand - ich schreibe das nicht, weil ich damit angeben will, sondern weil es natürlich signalisiert, dass ich gern und offensichtlich schon auf der Schule das Lernen gelernt habe.

    Die Struktur unseres Studienganges war relativ übersichtlich und bestand aus Vorklinik = Stud.med. (1.+2. Sem = Vorphysikum, 3.+4. Sem = Physikum) und Klinik = Cand.med. (5. bis 11.-13. Sem.

    Im Verlauf des klinischen Teils des Studiums die Möglichkeit zur Doktorarbeit, Staatsexamen, Approbation als Medizinalassistent, 1 Jahr Medizinalassistent = 2x je 4 Monate in einer der Hauptfacharztrichtungen und 4 Monate in einem Wahlfacharztgebiet, Vollapprobation und ab in die Facharztweiterbildung.

    Ich erinnere mich dunkel an ca. 50 - 60 "Scheine" und Testate, die waren aber ziemlich easy. Ärgerlicher waren schon die Praktika, weil da Präsenzkontrolle war. Sonst war ich relativ selten in Vorlesungen, weil ich sehr gut aus Büchern lernen kann und so, viel schneller vorankam, als die KommilitonInnen, die besser in Vorlesungen mit den entsprechenden häuslichen Nacharbeiten lernen konnten.

    Außerdem bin ich jemand der vorwiegend - schon zu Schulzeiten - am besten in den späten Abenstunden lernen konnte und auch nur wenig Schlaf braucht. So hatte ich tagsüber ausreichend Zeit einige Semester Jus, Musik, Informatik und Psychologie zu besuchen.

    Insofern bedaure ich Euch wirklich - weil Ihr kaum noch dazu kommt, irgend etwas links und rechts vom Weg der Medizin an der Universität aus anderen Fakultäten mitzunehmen.

    Den NC gab es bei uns - s.o. - auch schon und damit war auch ein gewisser Konkurrenzdruck verbunden.
    Ich habe aber den Eindruck, dass wir semesterweise einen besseren, kameradschaftlichen Zusammenhalt hatten, heute scheint das Ganze ziemlich brutal abzugehen.
    Lerngruppen von 2 bis zu 20 KommilitonInnen waren durchaus üblich und man traf sich im privaten Rahmen, lernte gemeinsam, hatte aber seinen Spaß dabei und regelmäßige oder spontane Freizeitaktivitäten dazu.

    Ich hatte das Glück, ein Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes zu bekommen, und das fehlende Geld habe ich dann, nachdem ich nach dem Physikum zu hause ausgezogen bin, durch Nachtwachen auf einer Orthopädie-Station und später auf einer großen interdisziplinären Intensivstation dazuverdient.
    Diese Zeit war wirklich die ideale Ergänzung zum Studium, weil ich 2 - 3 Nächte/Woche die Patienten gesehen habe und erspüren konnte, die ich vom Krankheitsbild aus dem laufenden Vorlesungsstoff sonst nie zu Gesicht bekommen hätte.
    In diesen Nächten habe ich mehr über Menschen, Patienten und deren Nöte, Ängste und Sorgen erfahren, als ich in 24 Semestern Medizinstudium hätte theorethisch lernen können.

    Was ich bedaure ist - und das pflanzt sich bis in die Krankenhäuser fort, wenn die jungen Kolleginnen und Kollegen als PJler oder AiPler zu uns kommen - dass das Karrieredenken und die Fähigkeiten, sich mit eisenharten Ellenbogen durchzusetzen, oftmals viel besser ausgeprägt sind, als das humanistische und humanitäre Grundprinzip, auf den Menschen im Patienten zuzugehen und ihm Vertrauen und Verständnis entgegen zu bringen.
    Dies ist bitte nicht mit Mitleid zu verwechseln, denn man kann nicht mit jedem einzelnen Patienten mitleiden, sondern meint die Fähigkeit, den Patienten spüren zu lassen, dass er als Mensch und nicht als Diagnose behandelt wird und das mit der nötigen Professionalität und dem unverzichtbaren Teamgeist unter Kollegialitätsgesichtspunkten. Aber es irritiert mich schon, wenn mir ein PJler in der Anästhesie die gesamte Pharmakologie meines täglichen Medikamentenrepertoires streitig und kritisch darlegen kann, andererseits aber nicht die körperliche Nähe eines Patienten erträgt und auch im sprachlichen Bereich nicht in der Lage ist, sich auf das Niveau eines einfachen Menschen einzustellen bzw. herabzulassen.

    Meine Bitte an alle angehenden Kolleginnen und Kollegen ist deshalb:

    Werdet Ärzte ohne Pathos und Standesdünkel und keine Mediziner, die den Patienten vor allem an seinen Messwerten behandeln.

    Wir brauchen eine neue Menschlichkeit in der Medizin und zwar für die gesamte Genesungskette Hausarzt - Patient - Ärzte -Pflegemitarbeiter - Funktionsmitarbeiter - Verwaltungsmitarbeiter - Angehörige - Hausarzt

    Herzliche Grüße, viel Erfolg beim weiteren Studium und gelegentlich auch mal die Seele baumeln lasssen - es gibt auch noch ein Leben ohne Patienten - Euer Wolfgang Oertel
    Dr.med. Wolfgang Oertel - 23769 Burg a.F. - ([email protected])



  4. #4
    unsensibel Avatar von Lava
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    20.11.2001
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    schon wieder woanders
    Semester:
    FA
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    30.076
    Bei solch düsteren Aussichten frage ich mich: werde ich auch so?? Denn zumindest jetzt in der Vorklinik kommt mir die Atmosphäre noch sehr friedlich vor. Das mit dem Konkurrenzdenken muss also später kommen. Bleibt die Frage, was dafür verantwortlich ist! Leistungsgesellschaft (mein Psychologielehrer hat ja immer behauptet, davon sei Deutschland weit entfernt)? Kampf um die wenigen Plätze an der Sonne? Oder sind es die Anforderungen, die an uns gestellt werden und die uns zu den "falschen" Einstellungen treiben? Wenn letzteres der Fall ist, hat man ja kaum eine Chance, sich zu einem verständnisvollen Arzt zu entwickeln, bei dem der Mensch noch im Mittelpunkt steht.
    "tja" - a German reaction to the apocalypse, Dawn of the Gods, nuclear war, an alien attack or no bread in the house Moami



  5. #5
    Senior Elderman
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    17.10.2001
    Semester:
    72 ;-)
    Beiträge
    12
    Liebe Janine,

    eher nicht, weil Du Dir schon jetzt Gedanken darüber machst, so wie Sandra und Fata Morgana; und wenn Du jetzt kaum etwas von dem bemerkst, was ich da beschrieben habe, dann bist später auf jeden Fall darauf vorbereitet.

    Die Gründe für diese Entwicklung?
    Alles zusammen von dem, was Du aufgezählt hast in jeder beliebigen Kombination und bei jedem anders ausgeprägt!
    Zwei Gründe sind allerdings unerwähnt geblieben, nämlich das Helfer-Syndrom und jene, die den Arztberuf anstreben, weil entweder die nötige Kohle dahinter steckt oder weil die Eltern Ihr Kind unbedingt in diesen Beruf treiben wollen.

    Der Arztberuf ist sehr schön und ich bereue die Entscheidung dafür keine Sekunde, auch nicht an den Tagen, wo ich unvermeidliche Tiefschläge einstecken muss.
    Die Anästhesie hat mich wegen ihres großen Entwicklungspotentiales und ihrer Vielfältigkeit und Interdisziplinarität gefesselt: Anästhesie - Intensivmedizin - Schmerztherapie - Rettungsdienst, wobei mein persönlicher Schwerpunkt besonders auf dem Rettungsdienst liegt.

    Auch Dir ein erfolgreiches Studium mit gutem Abschluß und den geschärften Blick für die persönliche dead-line, d.h. den Punkt, wo Du begründet an Deiner Studienfachentscheidung zweifelst, bevor Du daran verzweifelst.

    Aber so wie Du schreibst glaube ich, hast Du dafür die nötige Sensibilität und wirst Dich im Studium und im Beruf richtig platzieren.

    Herzlichst - Wolfgang Oertel
    Dr.med. Wolfgang Oertel - 23769 Burg a.F. - ([email protected])



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