3.3. Fragliche intraepitheliale Neoplasien
Empfehlung
Bei Vorliegen von fraglichen intraepithelialen Neoplasien ist eine endoskopische Kontrolle nach Intensivierung der antiinflammatorischen Therapie innerhalb von 3-6 Monaten durchzuführen (B).
Erläuterung
Insbesondere bei der Klassifikation " fragliche intraepitheliale Neoplasie " liegt eine schlechte Übereinstimmung der histopathologischen Beurteilung zwischen verschiedenen Pathologen vor [33], da eine häufig begleitende deutliche Entzündungsreaktion im Gewebe die Klassifikation erschwert. Auf der anderen Seite hat jedoch eine zusammenfassende Analyse von 10 prospektiven Studien [47] gezeigt, dass nach initialer Diagnosestellung " fragliche intraepitheliale Neoplasie " bei 28 % der Patienten eine Progression zur hochgradigen intraepithelialen Neoplasie und bei 9 % der Patienten zum Karzinom zu beobachten war. Um die Einstufung zu erleichtern, ist vor der geplanten Kontrollkoloskopie eine Intensivierung der antiinflammatorischen Therapie durchzuführen.
3.4. Intraepitheliale Neoplasie und Therapiekonsequenz
Empfehlung
Bei eindeutiger, durch einen auswärtigen Referenzpathologen bestätigter hochgradiger intraepithelialer Neoplasie ist dem Patienten als Standardoperation die Proktokolektomie zu empfehlen (B). Beim Nachweis einer niedriggradigen intraepithelialen Neoplasie und deren Bestätigung durch einen auswärtigen Referenzpathologen scheint eine Proktokolektomie nicht zwingend erforderlich zu sein (relative Operationsindikation)(B).
Erläuterung
In einer Studie mit 46 Patienten betrug das Risiko, bei initial diagnostizierter niedriggradiger intraepithelialer Neoplasie zu einer hochgradigen intraepithelialen Neoplasie oder einem Karzinom fortzuschreiten 53 % innerhalb von 5 Jahren [48]. Der positive prädiktive Wert der hochgradigen IEN für ein synchrones Karzinom beläuft sich auf 67 % [38]. Diese Studie aus dem St. Mark's Hospital bestätigt die zusammenfassende Analyse von Bernstein [47], in der das Risiko einer histopathologischen Progression bei initial diagnostizierter intraepithelialer Neoplasie zwischen 16 und 29 % lag.
Im Widerspruch hierzu stehen die Ergebnisse von zwei weiteren Arbeiten. In einer Studie wurden 60 Patienten mit Colitis ulcerosa und niedriggradigen intraepithelialen Neoplasien im Mittel 10 Jahre nachbeobachtet [49]. Nur bei 2 Patienten konnte im Verlauf eine hochgradige intraepitheliale Neoplasie nachgewiesen werden. In einer retrospektiven Kohortenstudie mit 29 Patienten mit niedriggradiger intraepithelialer Neoplasie sowie 97 Patienten ohne Neoplasie und einem Follow-up von 10 Jahren entwickelten 3/29 Patienten eine hochgradige Neoplasie oder ein Karzinom verglichen mit 4/97 Patienten in der Kontrollgruppe [34].
Es erscheint daher fraglich, ob - wie in einer Entscheidungsanalyse vorgeschlagen [50] - jedem Patienten mit Nachweis einer intraepithelialen Neoplasie unabhängig vom Grad der intraepithelialen Neoplasie die Proktokolektomie empfohlen werden sollte oder ob beim Vorliegen einer niedriggradigen intraepithelialen Neoplasie eine intensivierte Überwachungsdiagnostik (kürzere Endoskopieintervalle z.B. 3-6 Monate, Chromo- bzw. Zoomendoskopie) erfolgen sollte. Dieses Vorgehen sollte bei jedem Patienten individuell unter Berücksichtigung der Komorbidität/Risikofaktoren besprochen werden. In diese Entscheidung sollte auch einfließen, ob der individuelle Endoskopiebefund auf eine hohe Gefahr einer Neoplasieentstehung hindeutet (z.B. Pseudopolypenrasen). In solchen Fällen kann auch ohne Nachweis von intraepithelialen Neoplasien eine Empfehlung zur Proktokolektomie sinnvoll sein, da ein solcher Darm nicht überwachbar ist.
3.5. Adenomatöser Polyp und C.U.
Empfehlung
Bei Nachweis eines adenomatösen Polypen im Kolon bei einem Patienten mit bekannter Colitis ulcerosa reicht als therapeutische Intervention die Polypektomie aus, wenn im Restkolon durch multiple Stufenbiopsien keine intraepitheliale Neoplasie nachgewiesen wird (B).
Erläuterung
Über den Stellenwert der alleinigen Polypektomie bei adenomatösen Polypen bei Colitis ulcerosa liegen zwei Studien mit größerer Fallzahl vor. In einer Studie mit 24 Patienten und einer Nachbeobachtungszeit von durchschnittlich 3,5 Jahren wurden bei 14 Patienten Rezidivadenome nachgewiesen. Nur bei einem Patienten fand sich zusätzlich ein isoliertes Areal mit niedriggadiger intraepithelialer Neoplasie. Fortgeschrittene Neoplasien traten nicht auf [51]. In einer weiteren Untersuchung an 48 Patienten, bei denen Adenome abgetragen worden waren, wurden bei einem mittleren Follow-up von 4 Jahren bei 48% der Patienten erneut Adenome jedoch keine Karzinome oder Schleimhautareale mit intraepithelialen Neoplasien nachgewiesen [52]. Der Ausschluß von intraepithelialen Neoplasien in der benachbarten Schleimhaut scheint wichtig, wie Daten von 8 Patienten mit Polypektomie von Kolonadenomen aus dem St. Mark's Hospital belegen [38]. Drei Patienten, bei denen eine IEN in der benachbarten Kolonmucosa entdeckt werden konnte, entwickelten Karzinome. Nach einer Nachbeobachtungszeit von 2 bis 13 Jahren hat bisher keiner der 5 Patienten ohne IEN im Restkolon ein Karzinom entwickelt. Entsprechende Erfahrungen werden auch aus Israel berichtet [53].