Zitat von
Blondi
Wenn man sich während Vorlesungen oder Seminaren umsieht, bekommt man oft den Eindruck, man sei allein damit: Die Rede ist von Depressionen im Studium. Es ist bemerkenswert, was einige an Zusatzlasten schultern zu können scheinen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Viele haben Nebenjobs; ich muss meinen als Nachhilfelehrer vorerst aussetzen, obwohl ich sowieso schon relativ wenig davon gegeben habe; manche scheinen im Lernraum der Uni zu wohnen und nie Pausen zu brauchen (sind gar nicht so wenige); ich frage mich immer wieder, ob das tatsächlich notwendig ist. Einige scheinen trotz der Nötigung zu Auswendiglernorgien ein reichhaltiges Freizeitleben zu führen, ausgeglichen zu sein und viel Spaß am Leben zu haben; all dies kann ich von mir nicht behaupten. Das einzige was ich kenne ist eine enorme Antriebs-und Kraftlosigkeit, die mich so derart lähmt, dass ich das Gefühl habe, gar nichts mehr machen zu können. Mehr als zwei bis drei Stunden lernen am Tag sind trotz Klausur nicht drin, ich kann die Zeit aber auch anders nicht sinnvoll nutzen, vergammle sie eigentlich nur, einfach aus Mangel an Kraft. Das artet sich schon in körperliche Beschwerden aus, wie extremen Schlafstörungen, Konzentrationsunfähigkeit und einem überwältigenden Schwächegefühl, dazu Kopfschmerzattacken mit Aura (Magenbeschwerden, Übelkeit und Erbrechen; weiß schon gar nicht mehr, wie ich mich ernähren soll und fürchte Elektrolytstörungen). Dabei ist dieses Semester so veranstaltungsleer und verglichen mit den vorigen zwei Jahren wenig zu lernen, man hat fast keine Verpflichtungen, aber die werden schon alle viel zu viel. Promotionsthema hab ich auch noch kein definitives gefunden, obwohl ich zu den Semesterferien anfangen wollte; Famulatur wäre wohl eh unmöglich, Krankenhausalltag könnte ich im jetzigen Zustand nicht ertragen.
Warum erzähle ich das alles? Ganz einfach weil ich das Gefühl habe, allein damit zu sein, so als ob keiner meiner Mitstudenten mit demselben Desaster kämpfen müsste. Liegt es an mir oder am Studium? Gibt es unter euch welche, die sich am Anfang ganz gut fühlten und bei denen sich während des Studiums eine Depression entwickelte? Kennt ihr das mit den körperlichen Beschwerden? Gibt es unter euch vielleicht sogar solche, die in der Mitte mal eine richtig böse Krise wie die obige hatten und jetzt erfolgreich in höheren Semestern studieren bzw. sogar schon fertig sind?
Ich würde auch allgemein gern über dieses Thema diskutieren, auch fachlich. Wie oft kommen Depressionen im Studium vor? Hat man eine realistische Chance, später im Beruf klar zu kommen? Wie soll man das mit der Promotion koordinieren? Kann man es ohne Therapie schaffen (manche sind ja eher kontraproduktiv)? Kennt ihr Erfolgsgeschichten?
Übrigens hilft ein Uniwechsel nichts. Ich hab das gemacht, war im Sommer total am Limit und meinte, ein Umgebungswechsel nach dem Physikum würde alles wieder hinbiegen, aber das tut es nicht...ich versteh einfach nicht, was das Problem ist, das kann doch eigentlich nicht schwer sein, rein objektiv gesehen sind die Anforderungen doch, besonders am Anfang der Klinik, doch sehr gering; ich verstehe es einfach nicht!