Ne, soo einfach ist es leider nicht mehr. Es ist tatsächlich so, daß die Anzahl der offenen Stellen langsam, aber sicher die Anzahl der Interessenten übersteigt, zumindest in der Chirurgie. Selbst renommierte Kliniken und Chefs haben heutzutage sehr wenige Bewerber. Große Kliniken mit Rang und Namen können gerade noch eine Unterbesetzung vermeiden; kleinere Kliniken, insbesondere in nicht allzu attraktiven Wohngegenden, haben da schon arge Probleme, überhaupt Bewerber zu finden - Stellen bleiben ewig unbesetzt.
Eine Steigerung der Anzahl der Studienplätze ist ganz sicher keine gute Lösung. Es gibt genug Studienplätze, und an Studenten und Absolventen mangelt es nicht. Woran es mangelt, sind Absolventen, die bereit sind, die nach wie vor flächendeckend recht unattraktiven Arbeitsbedingungen in der Chirurgie zu akzeptieren. Dieses Problem kann man durch mehr Studenten nicht lösen.
Die Gründe für die geringe Attraktivität der Chirurgie heutzutage sind nicht allzu einfach einzugrenzen. Man kann die Schuld nicht pauschal den Verwaltungen oder der Politik in die Schuhe schieben. Eine durchaus beträchtliche Mitschuld an diesem Problem trägt auch die Ärzteschaft selbst. Kaum eine Berufsgruppe behandelt ihren Nachwuchs so schlecht wie unsere. Die meisten chirurgischen Chefärzte wären in der Wirtschaft nie im Leben in höhere Führungspositionen gekommen, wenn sie ihre Untergebenen so behandelten, wie sie es in der Medizin tun. In einer Bank oder IT-Firma vertraut keiner einem Menschen Führungsaufgaben an, der mit Bleistiften oder Lochern nach seinen Untergebenen schmeißt, sie beleidigt und systematisch für Aufgaben mißbraucht, die von wesentlich geringer qualifiziertem Personal erledigt werden können. Instrumente fliegen zwar in einem OP immer seltener durch die Gegend, aber man trifft solche Leute noch immer. Und das, was man sich als Assistent im OP öfter mal anhören muß, führt in anständiger Gesellschaft nicht selten zu Knochenbrüchen.