"Notkompetenz" ist ein komplexes Thema, das man nicht mal eben zwischen zwei Zeilen abhandeln kann. Worauf es schlussendlich dabei ankommt ist die Frage, ob das Heilpraktikergesetz auf Rettungsassistenten anwendbar ist oder nicht. Dazu gibt es leider innerhalb der Rechtswelt verschiedene Meinungen. Sollte es anwendbar sein, wäre jede Medikamentengabe ein Verstoß dagegen, der über das Konstrukt des rechtfertigenden Notstands abgewendet werden könnte. Dabei muss die Maßnahme beherrscht werden und es darf keine weniger invasive Maßnahme geben, um die akute Gefahr abzuwenden. Was die Bundesärztekammer schreibt ist lediglich eine Empfehlung. Geht man davon aus, dass das HPG nicht anwendbar ist, braucht es den rechtfertigenden Notstand nicht und die Maßnahme muss lediglich beherrscht werden und die Behandlung lege artis sein, sofern der Patient in diese tatsächlich oder bei Bewusstlosigkeit mutmaßlich einwilligt. So viel dazu für den Moment.
Die Frage, ob eine solche Vorgehensweise üblich ist, würde ich aus meiner Erfahrung in zwei unterschiedlichen Rettungsdienstbereichen (Ruhrpott und Norddeutschland) mit einem klaren jein beantworten. In beiden Bereichen gibt es Verfahrensanweisungen, die eine Gabe von Lorazepam (oral) bei Patienten, die bei Eintreffen des RTW noch konvulsiv krampfen, vorsieht. Vor Einführung von Tavor wurden vom einen oder anderen anderen auch Benzodiazepine iv verwendet, allerdings im Regelfall Clonazepam.
Vielleicht ist die Ausbildung diesbezüglich noch zu optimieren, mir war zum Beispiel der Unterschied zwischen Grand-mal- und komplex-fokalem Status bis vor wenigen Minuten nicht bewusst. Um alle Unklarheiten zu beseitigen, ein minutenlanger konvulsiver Krampfanfall ohne Zyanose ist kein Grand-mal? Ich habe mal gelernt, dass nach einer kurzen tonischen Phase die Atmung wieder einsetzt, wenn der Patient die charakteristischen Konvulsionen entwickelt.
Ich kenne es nur so, dass ein noch bei Eintreffen bestehender Krampf zügig durchbrochen wird. Das habe ich in mittlerweile sieben Jahren Rettungsdienst noch nie anders erlebt, egal welche Fachrichtung der Notarzt hatte. Gut, vielleicht war noch kein Neurologe dabei.