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  1. #1
    Registrierter Benutzer Avatar von RS-USER-Hoffi
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    gefunden auf zyn.de

    Für Freunde der Klassik:
    Notarzt aus Leidenschaft

    Einer der schönsten Augenblicke im Leben eines Notarztes ist der, wenn man in einer lauen Sommernacht mit 200 km/h über einen relativ verkehrsfreien Autobahnabschnitt fährt und dann die Kupplung tritt. Man rollt mit offenen Fenstern oder - noch besser - in einem offenen Cabriolet einfach so dahin, lässt sich den Wind um die Nase wehen und geniesst die Düfte der Natur. Ein Mensch, der dieses Erlebnis mit seinem Beruf verbinden darf, ist gewiss einer der Glücklichsten.

    Wenn man dann auch noch die richtigen CDs im Wechsler hat, ist dieses Glück perfekt. Mein persönlicher Favorit für diese einmalige Atmosphäre ist die Klassische Musik. Für solch einen erhabenen Augenblick ist Rap oder Pop denkbar ungeeignet. Spätestens wenn man als Notarzt am Unfallort eintrifft und aus den Resten eines VW Golfs Disco-Musik ertönt, ist diese nächtliche Harmonie dahin.


    Schilder verwirren die Leute nur
    Der Autobahnmeisterei will ich gewiss keine Vorwürfe machen, aber es kann doch nicht sein, dass ein Notarzt die menschlichen Reste zu den Takten von Britney Spears untersuchen oder einsammeln muss. Hätte man das Radio nicht rechtzeitig abschalten können? Gerade auf der A7 sollten die Teersheriffs doch wissen, was ich gerne höre und was nicht. Oft ist es lediglich eine der hinteren Blinkerleuchten, die nach einer Kollision mit einem LKW, Baum oder sonstwas bei Tempo 150 noch funktioniert, aber dass ein Radio noch spielt, kommt in letzter Zeit immer häufiger vor. Mich tröstet dabei meist nur, dass ich ein Radio/CD-Player der gleichen Marke habe.

    Noch ein bisschen ätzender sind diese Bauerntölpel, die sich zwecks Disco- Besuch zu fünft in einen Polo oder Panda quetschen mussten und von denen - nach dem Unfall auf einer Bundesstrasse - noch zwei oder drei bei Bewusstsein sind und nichts anderes zu tun haben als mit ohrenbetäubenden Geschrei die nächtliche Stille und meine klassische Musik zu zerreissen. Die tun ja geradezu so, als ob sie allein auf der Fahrbahn wären oder sich die Wirbelsäule zum ersten mal zerrissen hätten. Zugegeben, an den Anblick des Fahrers, dessen Lunge vom plötzlichen Eintritt der Lenkstange kaum begeistert sein dürfte, muss man sich erst einmal gewöhnen, aber muss man deswegen gleich so schreien? Bei dem Lärm würde ich am liebsten gleich wieder kehrt machen.

    Selbst Motorradfahrer nerven mich mittlerweile. Mit 200 km/h fliege ich morgens um 4 Uhr durch die kristallklare Sommernacht über die Strasse, weil irgendwo ein Motorradunfall passiert sein soll. Während der Krankenwagen noch zwischen den Dörfern herumkarrt, treffe ich mit den herrlichen Klängen Beethovens im Ohr als zweiter oder dritter auf der Party ein. Jenseits des Asphalts liegt ein schweres Reisemotorrad und - was soll ich Ihnen sagen - aus dem Wrack lärmt irgendwelche Pop-Musik! Der Fahrer hängt unter einer Leitplanke und gibt seltsamen Laute von sich. In Windeseile renne ich zu dem Motorrad, um die Zündung abzustellen. Fast zeitgleich mit dem Deaktivieren des Radios hört auch der Fahrer auf zu krächzen. Ein Traum. Denn neben dem ersten Gezwitscher der Vögel höre ich nur noch meine geliebte klassische Musik, die in angemessener Lautstärke aus meinem Fahrzeug tönt. Als ich nach einer halben Stunde die Sirene des herannahenden Rettungstransporter vernehme, gehe ich zu dem Motorradfahrer, bei dem ich leider nur noch den Tod feststellen kann - Shit happens.

    Aber das ist mal wieder typisch Motorradfahrer. Gerade jetzt im Frühling fahren sie los, stürzen und bleiben irgendwo mit den tollsten inneren Verletzungen liegen. Und das sogar im Zeitalter der Protektoren. Ein Jammer. Denn es muss die Hölle sein, wenn ein Verunglückter die letzten Minuten seines Lebens mit Musik von DJ Bobo oder Bad Religion verbringen muss. Da lob ich mir doch Werke von Tschaikowsky, Dvorak oder Vivaldi - gerade wenn man in der Stille der Nacht verunglückt!

    Vor ein paar Tagen zum Beispiel kam ich an eine Unfallstelle, an der ein riesiges Wohnmobil auf einen stehenden und mit Kabelrohren beladenen Sattelschlepper aufgefahren ist. Die Autobahnmeisterei hat brav alles abgesperrt, wollte sich aber den Anblick im Inneren des Fahrzeugs ersparen. Schaulustige gab es kaum, denn auf den ersten Blick ähnelte der Unfallort zwei hintereinander parkenden Fahrzeugen. Ausserdem war die Verkehrsdichte morgens um 5 Uhr relativ gering. Bevor ich mich in das Innere des Wohnmobils machte, gab ich dem Fahrer des LKWs noch eine Beruhigungsspritze. Wenn es sich nämlich um ein verunglücktes Wohnmobil handelt, nehme ich immer vorsorglich eine meiner Klassik-CDs mit in das Fahrzeug und da würde mich das Geheule anderer beteiligten Fahrer nur stören.


    Wenn das DRK eintrifft wirds ungemütlich
    In dem Wohnmobil sah es aus wie bei Arafat zuhause. Und als ob ich es gewusst hätte: ein eingebautes TV-Gerät funktionierte noch! Irgendeine Pop-Show lief auf der Glotze. Ein Sony - die Geräte halten schon was aus. Bevor ich mich an meine Arbeit machen und mich um eventuelle Überlebende kümmern konnte, für die jede Sekunde zählt, musste der Fernseher aus- oder auf einen Klassik-Kanal umgeschaltet werden. Nach einer Minute war mir klar, dass man in dieser Karre keinen einzigen gescheiten Sender empfangen konnte. Ich überlegte kurz, ob ich die Satelliten-Antenne des Wohnmobils neu ausrichten sollte, bevor ich mich umgehend um die Verletzten kümmere. Aber nein. Ich brauchte lediglich einen CD-Player. Plötzlich stand ein blutüberströmtes kleines Mädchen fragend hinter mir. Ihre Eltern wurden von den Kabelrohren teilweise aber endgültig enthauptet und der Brustkorb der leise krächzenden, älteren Schwester war von einem eleganten Klapptisch geöffnet worden. Das Kind stand unter Schock, denn es wollte mir partout keine Auskunft darüber geben, ob es einen CD-Player im Wagen gab. Also begann ich zu suchen und wurde schon nach wenigen Minuten fündig. Ich legte meine bevorzugte Klassik-CD ein und drehte die HiFi-Anlage auf. Im gleichen Moment erschienen die ersten Sonnenstrahlen am morgendlichen sternenklaren Himmel. Welch ein Anblick! Und dazu Mozarts Kleine Nachtmusik - einfach herrlich!

    "Es muss einen Gott geben!", flüsterte ich diesem Anblick entgegen, als das kleine Mädchen hinter mir zusammenbrach und das störende Krächzen ihrer Schwester verstummte. Hat wohl nicht sein sollen...
    The problem with America is stupidity. I'm not saying there should be a capital punishment for stupidity, but why don't we just take the safety labels off of everything and let the problem solve itself?



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  2. #2
    Registrierter Benutzer Avatar von nefgeländefahrer
    Mitglied seit
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    nicht schlecht...
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    Ich möchte so ruhig sterben wie mein Opa............
    aber nicht schreiend und heulend wie seine Beifahrer
    nur ca. 1 % der Straßen dieses Planeten Erde sind geteert.......99 % sind es nicht
    Funkamteure in Hilfsorganisationen



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