Eben noch was gefunden, das meiner Vermutung Auftrieb gibt:

Ein Dopingsünder ohne Leistungssteigerung
Der Ertappte: Junioren-Nationaltorwart Alexander Walke.

WAZ Ruhrgebiet. Ein junger Fußballer hat Haschisch konsumiert. Weil er ertappt wurde, gilt er in seinem Sport nun als Dopingsünder. DFB-Nachwuchstrainer Uli Stielike fordert für Junioren-Nationaltorhüter Alexander Walke sogar eine lebenslange Länderspielsperre. Dem Laien stellt sich die Frage: Warum steht Cannabis eigentlich auf der Dopingliste?

"Cannabinoide sind grundsätzlich keine Sportdroge, sondern eine Gesellschaftsdroge", erklärt Professor Wilfried Kindermann im Gespräch mit der WAZ. "Es ist nicht eindeutig erwiesen, dass sie leistungsfördernd wirken." Der Internist, Leiter des Instituts für Sport- und Präventivmedizin der Universität des Saarlandes in Saarbrücken, kennt sich in diesen Themen bestens aus. Er betreute ab 1990 zehn Jahre lang die deutsche Fußball-Nationalmannschaft und wird im kommenden Jahr in Athen wie schon 2000 in Sydney leitender Mannschaftsarzt der deutschen Olympia-Athleten sein.

Wenn die Rauschmittel Marihuana und Haschisch, die aus dem Hanfgewächs Cannabis hergestellt werden, nicht für einen illegalen Anschub der körperlichen Leistungsfähigkeit sorgen - warum wird dann ein Drogenkonsument als Dopingsünder abgestempelt? "Dazu muss man die Philosophie der Dopingliste kennen", sagt Professor Kindermann. "Es wird beabsichtigt, auch die Einnahme gesellschaftlicher Drogen zu verurteilen und zu bekämpfen. Es handelt sich also mehr um eine moralisch-ethische Geschichte." Es gebe, so berichtet der Olympia-Arzt, unter Experten "sehr kontroverse Meinungen" darüber, ob die Dopingliste auch Drogen enthalten sollte.

Alexander Walke, der bei der U-20-Weltmeisterschaft in den Vereinigten Arabischen Emiraten des "Doping-Missbrauchs" überführt wurde, steht also nicht wegen einer hinterlistigen Vorteilsbeschaffung am Pranger. Professor Kindermann, als Leichtathletik-Europameister mit der Staffel früher selbst ein erfolgreicher Leistungssportler, klärt auf: "Meines Erachtens ist der Effekt beim Konsum von Cannabis nicht so durchdringend, dass damit eine relevante Leistungssteigerung erreicht werden könnte."

Also dürfte allenfalls von "unsportlichem Verhalten" die Rede sein. Das Internationale Olympische Komitee aber hat Cannabis-Produkte seit 1999 für Olympische Spiele verboten und führt sie auf der Dopingliste. Die Internationalen Fachverbände sind größtenteils diesem Verbot gefolgt.

In einer Erklärungsschrift des Instituts für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln zum Thema "Cannabismissbrauch im Hochleistungssport" heißt es, Wirkungen seien "ein Gefühl der Entspannung, eine leichte Euphorie sowie eine Distanz zu Alltagsproblemen". Vorsichtig wird formuliert, Athleten, die hochnervös sind oder unter hoher psychischer Anspannung stehen, könnten den entspannenden Effekt vorteilhaft nutzen. Aber auch von einer "Verschlechterung der Koordination" wird berichtet. "Darüber aber gibt es keine exakten Studien", sagt Professor Wilfried Kindermann.

Und unter Fußballern gibt es noch nicht viele überführte Cannabis-Konsumenten. In Deutschland ist Alexander Walke erst der dritte nach Ibrahim Tanko und Quido Lanzaat, DFB-Trainer Uli Stielike behauptet: "Ein Einzelfall." Dennoch hält der Junioren-Nationaltrainer eine drastische Bestrafung des Torhüters für dringend notwendig: "Sie muss abschrecken!"

Stielike ist persönlich enttäuscht, denn "ich wusste, dass Alexander Walke gehascht hat, deshalb habe ich ihn auch ein Jahr lang nicht berücksichtigt. Erst als der Verein Grünes Licht gab, wurde er nominiert." Walke war erst am 15. November negativ getestet worden. Werder Bremen und Stielike dachten daher, der Junge sei "sauber".

Während der Bremer Bundesligatrainer Thomas Schaaf betont, es sei Werders "Pflicht, uns in dieser schweren Situation um Alex zu kümmern", gibt sich Uli Stielike trotz Einsicht des Torwarts unversöhnlich: "Für Deutschland wird er wohl nicht mehr spielen." Ohne Rücksicht auf mögliche Zweideutigkeiten schiebt der tobende Trainer diese Begründung nach: So viel "Gras" könne darüber gar nicht wachsen.
10.12.2003
Quelle