Hallo Leute.
Vorab vielen Dank, dass ihr euch die Zeit nehmt, meine Story durchzulesen - wird ein bisschen länger. Ich schreibe nicht im Zweitstudienbewerber-Forum in der Hoffnung, dass ich hier mehr Leute abpasse, die bereits "drin" sind, am besten im Beruf, Studierende sind aber auch angesprochen!
Hab dieses Forum immer sehr gerne genutzt, um mich zu motivieren etc - hört sich krank an: aber jetzt brauch ich euch für's Gegenteil.
Meine crazy Bitte: erzählt mir auf realistische Weise, was am Arztberuf nachhaltig sch**** ist. Warum ihr es nicht nochmal machen würdet. Was euch richtig fertig macht. Was euch sogar darüber nachdenken lässt, hinzuschmeißen. Und ich meine nicht Zweifel, die jeder Mal hat, und die man überwunden muss, um weiterzukommen. Ich meine reale Erfahrungen und Gründe, die euch den Arztberuf vermiesen. Egal ob mieses Arbeitsklima, Überlastung, blockierende Hierarchien, Bürokratie, Ängste, Druck … einfach alles.
Ich weiß vieles liest man ständig überall - wie schrecklich der Beruf geworden sei, aber ich brauche Leute, die es MIR sagen. Warum es ihnen PERSÖNLICH keine Freude macht
Zu mir: bin gerade 37 geworden, hab mich anno dazumal nach dem Abi erfolgreich auf ein Medizinstudium beworben. Platz aber nicht angenommen. Fachlich-inhaltlich war Interesse an Medizin immer da, Vater ist auch Arzt (sogar so gerne, dass er nach der Rente weiter rumjobbt), deswegen seit Kindheit ein "Gefühl" für den Beruf gehabt - nur war ich damals mit 19 "menschlich" nicht ready. Wollte erstmal das Leben kennenlernen. Hab dementsprechend etwas anderes studiert, und das war auch gut so. Heißt: ich bereue diesen Schritt nicht. Erst durch den geisteswissenschaftlichen Weg (das ganze Programm mit intellektueller Horizonterweiterung) plus ein Stück Lebens- und Selbsterfahrung bin ich an den Punkt gekommen, an dem ich Medizin mit Leib und Seele wollte. Hab durch mein Studium auch einen interessanten beruflichen Weg einschlagen können, deswegen war Medizin sehr lange vom Tisch. In den letzten Jahren ist die Thematik aber immer wieder an die Oberfläche gekommen, und somit habe ich letztes Jahr nach reiflicher Überlegung entschieden, mich für das WS16/17 zu bewerben. Die Chancen in der Zweitstudienbewerberquote in D sind ja schlichtweg vernichtend gering vor allem als Geisteswissenschaftler, deshalb habe ich mich zusätzlich für den Aufnahmetest in Wien vorbereitet (die voll kostenpflichtigen Optionen wie Ungarn muss ich leider ausschließen). Schön und gut, ich dachte mir: Hey, wenn ich keine Zusagen bekomme, kann ich das Thema endlich ad acta legen und mich auf meine Karriere im Hier und Jetzt einschießen – auch wenn ich nicht unbedingt mehr dafür brenne.
Das in gewisser Weise tragische ist, dass ich vor allem durch die intensive Vorbereitung auf den Aufnahmetest feststellen musste, wie groß mein Interesse an Medizin tatsächlich ist.
Bin dann mit wehenden Fahnen untergegangen: Punktzahl für dt Verfahren nicht erreicht, und Testergebnis AT ebenfalls zu schlecht.
Für diesen Fall hatte ich mir auch schon eine Strategie zurecht gelegt nach dem Motto: in diesem Alter den harten Ritt durchs Medizinstudium zu nehmen wäre eh Masochismus vom Feinsten gewesen, mindestens 6 Jahre keine Kohle, danach als Assistent mit 43 Jahren der Arsch vom Dienst etc pp... Nur leider funktioniert es nicht. Genau diese Punkte hatte ich ja vorher abgewogen und wollte es trotzdem durchziehen. Sie wiegen weiterhin nicht so schwer wie mein Interesse an Medizin.
Es passiert im Moment genau das, was nicht passieren sollte: innerlich stilisiere ich die ganze Medizin Sache zu etwas, ohne das ich nicht mehr glücklich werde. Wenn ich die Bücher sehe, mit denen ich für den Test gelernt habe, wird mir ganz flau. Ich kann es nicht lassen, mir Dokus über Krankenhäuser anzusehen und werde dabei regelrecht wehmütig. Manchmal will ich Sachen wie... keine Ahnung: zB Subarachnoidalraum recherchieren, weil es mich interessiert und denke mir dann: wozu? Ist doch eh für den A****, recherchier lieber wie du zu morgen die excel Tabelle unter Kontrolle bringst. Zu allem Überfluss liegt mein Arbeitsplatz in Sichtweite zu einer berühmten Uniklinik – wenn ich die Studenten dort sehe, möchte ich sie schubsen oder schlimmeres.
Ihr seht das ist kein Zustand.
Natürlich habe ich mir bereits überlegt, mich im nächsten Jahr nochmal in Österreich zu bewerben – ich weiß nun wie der Test läuft und könnte mich noch besser vorbereiten (man muss aber auch anmerken, dass der Test nicht ohne ist... ich weiß nicht wie oft man es versuchen sollte, bis man sagt: ok ab jetzt wird es Energieverschwendung, ab jetzt lass ich es gut sein). Ich befürchte jedoch dadurch noch mehr in diesen Medizin-Sog zu geraten und an einer unheilvollen Idealisierung festzuhalten, anstatt mich auf das zu konzentrieren und das auszubauen, was bereits vor meinen Füßen liegt: meine jetzige Karriere.
Aus diesem Grund meine Bitte: erzählt mir schonungslos, was Euch am Arztberuf fertig macht.
Es geht mir ganz sicher nicht um Schadenfreude – ich brauche nur dringend ein Korrektiv.
Vielen Dank.