Zitat von
tarumo
Leider verzetteln sich manche Schreiber hier in Nebensächlichkeiten.
Es geht doch nicht drum, gegen einen Studienplatz oder Stipendium in die Patienten- oder Soldatenversorgung zu wechseln oder "eine" Praxis zu übernehmen, oder irgendwas "abzusetzen".
Sondern der Deal ist, sich zu verpflichten, als Abiturient (!) ein höchstwahrscheinlich defizitäres Kleinunternehmen in schwierigem Umfeld 12-15 Jahre später für die Dauer von 10 Jahren führen und davon leben zu müssen.
Ich formuliere bewußt so, weil die Auswahl der Praxen via Sozialministerium / KV erfolgt und da liegt es auf der Hand, daß genau die Praxen zwangsbesetzt werden, die 1) - schon besonders lange vakant sind und 2) schon das Umfeld des abgebenden Arztes, etwaige MVZ-Sitzaufkäufer und andere Interessenten abgewunken haben und auch die öffentliche Ausschreibung durch die KV und vielleicht auch noch den Bürgermeister erfolglos blieb.
Sorry, aber wer unter solchen Voraussetzungen wirtschaftlichen Erfolg wähnt, dem ist nicht mehr zu helfen.
Damit geraten gleich die ganzen Kartenhäuser hier ins Wanken. Eine Bank wird unter derartigen Rahmenbedingungen keinen Kredit geben, damit man die Praxis mal auf links drehen könnte, und erst recht keinen sicherungslosen Kredit über 250.000 EUR Ablöse. Alleine die Idee würde in jedem Finanzforum große Heiterkeit hervorrufen. Erst recht, wenn man mit irgendwelchen Internettabellen fiktiver Durchschnittseinkommen um die Ecke kommt.
Neben der Privatpatientenakquise dürfte sich auch die Personalgewinnung sehr schwer gestalten, Stellen gibt es wie Sand am Meer und warum sollte man als MFA ausgerechnet bei einem zwangsverpflichteten Neueinsteiger in einer anderweitig nicht mehr zu vermittelnden Praxis anheuern?
Und es wird sich rumsprechen, der/die dann zuständige MinisterIn oder BürgermeisterIn wird jeden Verpflichteten mit Blumenstrauß, Pressefoto und Krokodilsgrinsen begrüßen.
Denjenigen, die diesen Vertrag unterschrieben haben, bleibt also genau die Wahl zwischen 250.000 EUR Verbindlichkeiten gegenüber dem Land NRW zum Berufsstart (geradezu niedlich finde ich die vorgebrachte Idee, die eintreibenden Finanzbehörden würden sich auf Stundungen in Kleinbeträge einlassen, um bloß niemand wehzutun, vielmehr werden sie einem den A**** unter dem Hintern wegpfänden) und auf der anderen Seite die mind. 10jährige Existenz in einer Praxis, die sehr wahrscheinlich Verluste verursacht.
Auswandern geht auch nicht mehr und ob man durch eine Privatinsolvenz diese Strafzahlung abschütteln kann, ist auch keineswegs sicher. Aber am besten gleich noch wie vorgeschlagen den/die PartnerIn mit reinziehen, oder sein Erbe verprassen, damit die Patienten auch ja "gut versorgt" sind...
Es gibt genug Juristen, die die ganze Sache als schlicht und einfach "sittenwidrig" betrachten. Und das wird auch genau die Schiene sein, auf die die unausweichlichen Prozesse geführt werden.
Es ist also schlicht eine Wette. Erkennen die Gerichte auf sittenwidrig: Herzlichen Glückwunsch, Sie haben einen Studienplatz gewonnen. Befinden die Gerichte das für in Ordnung, haben die Unterzeichner also die genau die Wahl zwischen einer ruinierten Existenz durch 250.000 EUR Verbindlichkeiten gegenüber dem Land NRW oder einer ruinierten Existenz durch zehnjähriges Zwangsbetreiben eines defizitären Kleinunternehmens.
Als Rechtsschutzversicherung würde ich mich auch weigern, Verträge mit einem "Landarztquotler" abzuschließen, liegt das Risiko für einen langen und teuren Prozess doch bei fast 100%...