Psychosomatik, das ist zunächst einmal eine Idee. In ihr kommt der Grundgedanke zum Ausdruck, dass Leib und Seele, Körper, Geist und Psyche zusammengehören; und dass die beiden Bereiche deswegen nicht getrennt gedacht und nicht getrennt betrachtet werden können. Deshalb ist die Psychosomatik in der gesamten Medizin vorstellbar, in der Diagnostik genauso wie in der Therapie.
Aber es gibt auch eine spezielle Fachrichtung Psychosomatik. Wie ist sie definiert, wenn doch der Grundgedanke in der ganzen Medizin gelten könnte?
Nach meinem Verständnis ist das Fachgebiet Psychosomatik am besten definiert als der Behandlungsansatz, der auf der Psychotherapie als zentralem Baustein beruht. Insofern hieß die Facharztbezeichnung, als sie in den 90er Jahren eingeführt wurde, in Berlin zunächst richtigerweise "Facharzt für Psychotherapeutische Medizin".
Dann gibt es also keine psychosomatischen Krankheiten? Nein, wahrscheinlich gibt es sie nicht. Aber sagen wir denn nicht, dass einem etwas auf den Magen schlägt oder man sich den Kopf über etwas zerbricht? Doch, und da ist ja auch etwas dran. Aber wir können nicht sagen ‚soundsoviel Prozent der Kopfschmerzen sind organisch und soundsoviel Prozent sind psychisch bedingt‘. Und deswegen würde man den Menschen auch zerteilen, wenn man sagt: mit der einen Hälfte Deiner Kopfschmerzen gehst Du zum Neurologen und mit der anderen Hälfte zum Psychologen. Und dennoch geschieht das allenthalben. Die Psychosomatik ist die Antwort auf dieses Dilemma, dass uns der Zusammenhang zwischen Körper Geist und Seele zwar aus der Erfahrung heraus bekannt ist, wir ihn aber nicht wirklich beweisen können. Jedenfalls nicht in einem Modell, in dem wir verschiedene Faktoren erst voneinander unterscheiden und deren Wechselwirkung wir dann wiederum beschreiben könnten. Insofern ist in meinem Verständnis die Psychosomatik kein konstantes Modell, bei dem wir verschiedene Faktoren nebeneinander stellen und getrennt betrachten können – sondern ein dynamisches Modell, in dem wir den Menschen nur als Einheit betrachten können. Wir betrachten den Menschen so, wie er sich inmitten seiner ihn umgebenden Umwelt mit den ihm innewohnenden Möglichkeiten entwickelt und erlebt und nur auf der Basis dieses Erlebens seiner selbst können wir ihn als Subjekt verstehen. Jedenfalls können wir uns darum bemühen. Das ist die Grundidee.
Dr. med. Martin Goßmann
Arzt für Neurologie und Psychiatrie
Facharzt für Psychosomatische Medizin
Psychotherapie, Psychoanalyse
Sozialmedizin